![]() |
www.montivagus.de |
Pässe in der Schweiz . Pässe in Frankreich . Pässe in Italien . Pässeliste . Touren | |
News . Sitemap . Impressum . Links . E-Mail . Forum . Off-topic |
Mittwoch, 3.6.2009 – 5. Etappe
|
Obwohl ich fast seit Mittag durchgeschlafen hatte, wachte ich "erst" kurz nach
sechs auf. Das waren sicher 15 Stunden Schlaf – und das war gut so. Die Kopfschmerzen waren
weg, ich fühlte mich viel besser als gestern, einer Fortsetzung der Reise heute stand
nichts im Wege. Frühstück mit Kaffee (!?! tauber Kellner!) gab es im Hotel, dann packte
ich und um 8:30 saß ich wieder auf dem Rad … für genau zehn Minuten, dann kaufte ich
Proviant in einer Migros ein, um nicht zu viel Geld in Italien lassen zu müssen. Ungefähr 80 km sollten es sein zwischen Lugano und Chiavenna, sagte mir der Kellner, der selbst zwei Tage später auf Radreise gehen wollte. Da verzieh ich ihm den Kaffee. Und es sind relativ flache 80 km, eine Steigung direkt am Anfang in Lugano, ein bisschen auf und ab am See, ein Mini-Pass zwischen Luganer See und Lago di Como und dann noch ein paar Höhenmeter hinauf nach Chiavenna. Sollte zu schaffen sein, trotz des wohl zu erwartenden Nordwinds. Der höchste Berg kam gleich am Anfang: Hinauf in den Stadtteil Castagnola. Rauffahren heißt immer runterblicken können, und insbesondere in dieser schönen Bucht eröffneten sich tolle Blicke auf den Zuckerhut von Lugano, den Monte San Salvatore, auf Paradiso und auf Lugano selbst. Ich musste also relativ bald wieder für Fotos anhalten. Und dann kam ein Stau, nichts ging mehr, die Autofahrer hatten den Motor ausgeschaltet und warteten. Zum Glück war mein Rad trotz Taschen noch schmal genug um vorbeizufahren. Ein Lastwagen stand quer auf der Straße, dessen Ladefläche als Stellplatz für einen Bagger diente, der Erdarbeiten am Hang machte. Auch schön. |
|
|
Die Fahrt entlang des Lago di Lugano war angenehm, es war noch nicht
so heiß, der Wind war eher schwach, und auch der befürchtete starke Verkehr blieb aus.
Grenzen sind auch nicht mehr das, was sie mal waren: Einen Zöllner bekam ich
nicht zu Gesicht, als ich nach Italien einreiste. Bis Porlezza verlief die Staße
direkt am See, dann kam der kleine Pass hinüber nach Menaggio am Comer See. |
|
|
Hinunter nach Menaggio ging es mit mehreren Serpentinen, mit (leider immer
teilweise verbauten) Blicken auf Menaggio, Bellagio und das andere Seeufer. Ich fuhr
nordwärts weiter, immer am Ufer entlang. Der Verkehr war nun etwas stärker,
allerdings konnte, bzw. musste ich die Straße immer wieder verlassen, um die vielen
Tunnels zu umfahren … diese Umfahrungen waren jedoch viel, viel schöner als die
Tunnels, denn ich fuhr auf den alten Straßen direkt am See. Nicht nur der Verkehr
nahm zu, auch die Hitze. Ungute Erinnerungen an gestern und vorgestern kamen auf,
doch ich fühlte mich gut. Bis auf den Hunger, den ich so langsam verspürte. |
|
|
Auf der Uferpromenade von Dongo sah ich eine schöne, schattige Bank. Die
wurde sofort gekapert. Ich packte die Migros-Vorräte aus, nahm die Zeitung und blieb
über eine Stunde auf der Bank sitzen.
Dongo ist übrigens ein Ort, den die Weltgeschichte kurz gestreift hat: am 28. April 1945
wurde hier Benito Mussolini auf der Flucht in die Schweiz erschossen. Nicht, dass ich
das irgendwo im Ort erfahren habe, nein, stolz ist man hier wohl nicht darauf. Alljährlich
ist Dongo am Geburtstag des Duce Pilgerort seiner faschistischen Anhänger, mit denen
mag man es sich wohl nicht verscherzen. Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich wohl
einen Ort weiter gefahren für die Mittagspause. Obwohl, Mittagspausen wegen des aktuellen
Umgangs mit historischen Ereignissen auszusuchen, das muss eigentlich auch nicht sein.
Als ich dann wieder losfuhr, wurde ich von der Hitze fast erschlagen. 32 Grad sagte
eine Infotafel, siehe Beweisfoto. |
|
|
Trotz der Hitze lief es ganz gut, immerhin war es etwas windig, das kühlte.
Und noch störte der Wind nicht, kam aus wechselnden Richtungen. Das würde sich wohl
noch ändern, befürchtete ich. Und es änderte sich. Kurz nach dem Ende des Comer
Sees musste ich direkt nach Norden, in Richtung Chiavenna, abbiegen. Und der Wind
kam direkt aus Norden, aus den Bergen das Tal hinuntergepfiffen. Die letzten guten
25 km wurden hart. In Verceia am Lago die Mezzola gab es eine Überraschung: Eine beschilderte Radroute nach Chiavenna. Ja gibt's denn sowas, in Italien! Und es war eine schöne Route, gut beschildert, fast durchgängig auf kleinen, asphaltierten Nebenstraßen. Sogar eine Brücke wurde neu gebaut für diese Route. Nur ein ganz kurzes Stück ärgerte mich durch fast unbefahrbaren, sehr lockeren Schotter. Und wenige Kilometer vor Chiavenna, kurz nachdem man die stark befahrene SS36 kreuzt, gibt es eine über 20 % steile Schotterpassage … ich musste schieben, das einzige Mal während dieser Reise. |
|
|
Um halb fünf erreichte ich Chiavenna, fand über die Tourist-Info ein nettes
Hotel, das Hotel Flora. Zimmer im dritten Stock, also war etwas Taschenschleppen angesagt.
Aber es gab einen Fernseher, endlich mal. Leider nur mit den katastrophal üblen
italienischen Programmen. Wie kann man nur jemanden, der für diesen Schund verantwortlich
ist, auch noch zum Ministerpräsidenten wählen? Seltsames Land … Nach Klamotten- und Radfahrerwäsche machte ich mich auf zum Stadtrundgang. Ich begann bei der Kirche San Lorenzo, in direkter Nachbarschaft des Hotels gelegen. Der schöne Kreuzgang gefiel mir sehr gut. Anschließend lief ich einfach die "Hauptfußgängerzone" herunter. |
|
|
Und wenn ich schon häufig über Italien meckere: Es gibt natürlich auch
Pluspunkte. Das sind diese To-Go-Pizzerien. Großartig, für wenig Geld leckere
Pizza. Immerhin hatte ich schon ein paar Tage nichts Warmes mehr zu mir genommen.
Und noch dazu gab es ein kleines Schauspiel auf dem Platz, wie nämlich italienische
Mütter mehr oder weniger vergeblich versuchten, ihre Kinder zu bändigen und dies
dann irgendwann aufgaben. |
|
|
|
|
Zurück im Hotel schaute ich mit Entsetzen auf die Karte und die Strecke
des morgigen Tages, sollte wohl doch etwas bergig werden. Nun ja, ich wollte es ja so.
Auch in Ciavenna gab es die Süddeutsche, glücklicherweise habe ich schon vor dem
Spaziergang festgestellt, dass mir das Fernsehen keine Abendunterhaltung bringen würde.
|
|
|