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Donnerstag, 4.6.2009 – 6. Etappe
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Der Wecker klingelte … nicht, Wecker brauche ich nicht auf Radreisen,
da falle ich von selbst früh aus dem Bett. Und der erste Blick aus dem Fenster
zeigte: Schönes Wetter, aber es dürfte warm werden. Macht nichts, ich fahre ja
in die Höhe, so hoch wie wahrscheinlich auf dieser Tour nicht mehr, 2.115 m hoch
ist der Splügenpass. |
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Viel einrollen war nicht möglich, die Steigung beginnt schon in Chiavenna.
Der untere Teil des Splügenpasses ist nicht besonders spektakulär, meist
fährt man im Talgrund des hier dicht bewaldeten Val San Giacomo. Glücklicherweise
geht es nicht stur geradeaus, es gibt einige Abschnitte mit Serpentinen, so konnte
ich mir immer wieder Zwischenziele setzen, bis ich Campodolcino erreichte. Hier
machte ich eine frühe Mittagspause und stärkte mich für die folgenden,
spektakulären Passagen des Passes. |
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Nun begann der Pass richtig … und fast wäre es auch schon wieder vorbei gewesen.
Eine Straßensperre mit Umleitung versperrte den Weg durch die in den Fels gehauenen
Serpentinen, Bauarbeiten. Murks, aber dann dachte ich, dass ich mit dem Rad bestimmt
vorbeikomme. Weiser Entschluss, denn es folgte eine spektakuläre Straße ohne Verkehr. Wie gestapelt wirkte die Straße, fast senkrecht die Wand, in die die zahlreichen Tornanti gehauen sind. Teilweise sind es regelrechte Kehrtunnels, die zu durchfahren sind. Belag und Beleuchtung in den Tunnels ist allerdings nicht auf dem besten Stand, bergab ist dies sicher kein Vergnügen. Ich fuhr ja bergauf, und das noch ohne Verkehr. Zu oft für einen gesunden Rhythmus hielt ich kurz an für ein Foto. |
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In Pianazzo, am Ende dieses spektakulären Abschnitts, machte ich eine kurze
Pause auf dem Dorfplatz, dann ging es weiter, in Richtung Baumgrenze. Die Szenerie
wechselte häufig, eben noch in der Felswand, wurden nun die Hänge sanfter, die
Bewaldung lichter. Das macht Pässefahren aus, die Vielzahl völlig unterschiedlicher
Landschaften und Vegetationen, die man in relativ kurzer Zeit durchfährt. |
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Heute morgen noch auf 300 m in Chiavenna, sommerliche Temperaturen, eben
noch im Wald, fuhr ich nun durch grüne Alpwiesen, schon ziemlich nahe am Schnee. Die
Reisegeschwindigkeit war bemerkenswert: Seit dem Start in Chiavenna um kurz vor 9 Uhr
hatte ich gerade mal 25 km zurückgelegt, und nun war es schon 13:30! Okay, ich
schleppte ja auch einige Kilo Lebend- und Totgewicht den Berg hinauf, außerdem muss man
eine solche Landschaft ja auch genießen. Die Bitte, langsam zu fahren, galt wohl kaum
bergwärts strampelnden Radfahrern. |
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Nach einem bisschen Weiterstrampeln sah es wieder anders aus. Der Blick
zurück ins tiefe Val San Giacomo verschwand, das Grün der Wiesen auch so langsam, dafür
dominierten immer mehr grau und weiß, Fels und Schnee … und Staumauer. Direkt unterhalb
der Staumauer liegt der kleine Weiler Stuetta, bestehend aus einigen Häusern, einer
alten Cantoniera und einer Kapelle – es wirkte etwas verlassen, trotz des Restaurants.
Für mich war es immerhin der vorletzte Ort in Italien. |
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Der letzte hieß Montespluga. Er lag am Ende des Stausees, den ich nun
umrundete. Ein paar Kilometer flache Strecke, ich fuhr z. T. über 20 km/h schnell,
die Geschwindigkeitsrekorde purzelten. Ich auch, da ich, von der großartigen hochalpinen
Landschaft betört, leicht von der Straße abkam und in etwas gröberen, lockeren Schotter
geriet. Ein wenig konnte ich noch bremsen, schaffte es aber nicht, mich auf dem Rad
zu halten. Passiert ist aber weder mir noch dem Rad etwas. In Montespluga machte ich die letzte Pause vor der Passhöhe, so wie das früher jeder machen musste. Die mächtigen Susthäuser zeugen noch heute von den Zeiten der Säumer, die hier ihre Lasttiere wechselten. Heute sind es ein paar Gasthäuser und Restaurants für einen kurzen Zwischenstopp. |
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Dann musste ich ein letztes Mal an diesem Tag richtig in die Pedale
treten. 200 Höhenmeter auf knappen 3 km bis zur Passhöhe waren aber machbar. Einige
Fotostopps legte ich natürlich ein, u. a. für ein Murmeltier, dass sich laut pfeifend
und deutlich sichtbar auf einem Schneefeld tummelte. Um 15:30 war ich dann endlich oben. Da hatte ich mir wirklich Zeit gelassen, fast sieben Stunden brutto. Für knapp über 32 km, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von unglaublichen 8 km/h. Immerhin eine historische Passhöhe. Schon die Römer nutzten den Splügen, und auch danach war er einer der bedeutendsten Alpenpässe, bis zum Bau der Gotthardbahn. Die Römer fuhren aber wahrscheinlich nicht mit dem Fahrrad, so entging ihnen der Spaß der Abfahrt. |
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Gleich zu Beginn der Abfahrt wartete ein weiteres Highlight: Schon wieder
Serpentinen. Diesmal allerdings nicht wie auf der Südseite in den Fels gehauen, sondern
an einem nicht ganz so steilen Hang. Eine Asphaltschlange in der grünen Wiese: |
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Von unten kann man die Straße nur erahnen. Ich fuhr weiter in Richtung
Tagesziel Andeer. Es machte schon wieder Spaß, einfach die Beine anzuheben und loszurollen,
Kilometer um Kilometer nur durch konstitutionell erzeugten Hangabtriebskraft
zurückzulegen. Und das in einer wunderschönen Landschaft. Der Übergang in die Waldzone,
also die Baumgrenze, war hier besonders idyllisch, da musste ich doch nochmal
anhalten und Fotos machen. |
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Dann kurvte ich die letzten Serpentinen bis Splügen hinunter. Als ich
letztes Jahr hier war, fing es an zu regnen, es war auch ziemlich kalt. Heute nichts
davon, Sonne pur und ordentlich warm. Den Ort ließ ich schnell hinter mir und
fuhr auf der Veloroute 6, dem San-Bernardino-Zweig der Graubündenroute, talabwärts.
Und diesmal blieb ich auch rund um den Sufner See auf der Veloroute, fuhr also
auf den Waldwegen entlang des Südufers. Das ging problemlos, der Weg ist zwar nicht
asphaltiert, aber hervorragend fahrbar. Auf der Staumauer machte ich die üblichen
Fotos, vom See, dem Piz Tambo im Hintergrund, der Brücke der Autostraße und
fuhr dann weiter … um wenig später festzustellen, dass ich seit Splügen im Pausenmodus
des GPS-Geräts fuhr. Na super, wieder ein Loch in der Aufzeichnung. |
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Durch die Rofflaschlucht rollte ich auf der Kantonsstraße hinunter, kaum
Verkehr, guter Belag, das gab ordentliche Geschwindigkeiten. Bis Andeer war es nicht
mehr weit. Eine letzte Verzögerung gab es kurz vor Andeer, als eine Herde vierbeiniger
Bergbewohner ziemlich gemütlich auf dem Nachhauseweg war und selbst von einem Zweirad
nicht so leicht überholt werden konnte. |
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Im Volg kaufte ich mir noch etwas Verpflegung für den Abend,
dann erreichte ich den Campingplatz "Sut Baselgia". Ich buchte gleich für zwei Nächte,
morgen sollte das Wetter noch mal schön sein und auf der Abfahrt hatte ich mir
überlegt, einen Abstecher ins Avers nach Juf einzuplanen. Das kannte ich noch nicht, und
da das Wetter morgen noch gut sein sollte, passte das in den Rahmenplan ganz gut
hinein. Nach Duschen und Abendessen begab ich mich auf einen kleinen Ortsrundgang. In unmittelbarer war die Tourismus-Information mit einem Internetzugang, schön, dann wäre das für die nächsten zwei Tage geklärt. Der Ort ist sehr schön, man sieht ihm den Reichtum vergangener Zeiten an. Wuchtige, große Häuser, aufwändige Sgraffito- Verzierungen; bis zum Bau der Eisenbahntunnels hatte Andeer eine herausragende Bedeutung an der Route des Splügen- und des San-Bernardino-Passes. Mitten im Ort befindet sich die "Stizun da latg", so der rätoromanische Name der Sennerei Andeer. Von der Straße kann man bei der Milchverarbeitung zuschauen. Das machte ich aber nicht lange, sondern kehrte zurück zum Campingplatz, um etwas zu lesen und mich dann "ins Bett" zu legen. Der Mittelfinger an der rechten Hand schmerzte etwas, offensichtlich war er am Nagel entzündet. Trotzdem schlief ich irgendwann ein. |
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