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6.8.2005

Übersicht Tour Sommer 2005

8.8.2005

Sonntag, 7.8.2005 – 7. Etappe

Tageskilometer: 93 Tageshöhenmeter: 1.826 Tagessattelstunden: 6:34
Tourkilometer: 502 Tourhöhenmeter: 7.920 Toursattelstunden: 33:58
Route: Gudo – Locarno – Crevoladossola – Simplon-Dorf
Wetter: Schön, aus Norden immer stärkerer Wind
Ein paar Plastiktüten um die Abspannseile, und ich bin erst wieder am Morgen aufgewacht. Frühstücken wollte ich hier allerdings nicht, dann lieber noch ein paar Kilometer bis Locarno (wo übrigens gerade die Filmfestspiele liefen, allerdings noch nicht um 9 Uhr morgens). Schokocroissant, Brot, Nutella, Camembert, Cola light – und los ging es. Der Plan war, durch die Centovalli bis Domodossola, weiter in Richtung Simplon bis Gondo zu fahren. Dann am Montag über den Simplon, mit der Bahn von Brig bis Martigny und vielleicht ein Stück den Großen St. Bernhard hoch, am Dienstag dann drüber und mit der Bahn nach Turin. Mittwoch Turin und Donnerstag Bahnfahrt ins Engadin. Aber heute ging es erstmals nach Italien. Von Locarno nach Ascona, dann fand ich über Losone den "Einstieg" in die Centovalli. Eigentlich keine schwierige Strecke, es geht zwar knapp 600 Höhenmeter hoch, aber die verteilen sich über genügend Kilometer. Nur am Anfang, in Intragna, auf dem Weg von der Nebenstrecke über Losone auf die Centovalli-Hauptstraße, war es brutal steil. Die nächste Premiere: Die Steigung zwang mich aus dem Sattel. Doch nach zwei Kehren war der Spuk vorbei, steiler sollte es heute nicht mehr werden.
Piazza
Die Piazza in Locarno
Intragna
Rückblick auf Intragna
Centovalli
Der obere Teil der Centovalli
Denn ab Intragna schlängelt sich die Straße an der nördlichen Talseite nach oben. Schlängelt, denn links und rechts sind die vielen kleinen Nebentäler, die dem Haupttal den Namen gaben. Tief im Tal die Melezza, dann Wald, dann die Straße und die Bahn, so geht es weiter nach oben, bis zum Stausee. Bald erreichte ich Camedo, die Staatsgrenze. Noch einmal die 162 anrufen: Im Norden der Alpen schlechtes Wetter, auch im Wallis. Doch nach Süden schnell schöner, der Nordföhn löste angeblich die Wolken schnell auf. Morgen sollte es dann überall schön sein. Also, vielleicht hatte ich Glück, auf was ich mich jedoch schon jetzt gefasst machte, war der Gegenwind am Simplon. Am schlimmsten dürfte da die enge Gondoschlucht sein, daher war es recht gut, dass ich nur bis Gondo, also bis zum Anfang der Schlucht fahren wollte, schließlich sollte der Wind morgen nachlassen. Eine Banane noch gegessen und ein Eistee getrunken, und weiter ging es.

So nun, die Zollformalitäten waren schnell erledigt – sehr schnell, irgendwie interessierte sich keiner der gelangweilten Zöllner für mich. Als ich hier das erste Mal fuhr, dachte ich, die Grenze wäre gleichzeitig auch die Passhöhe, das war ein Irrtum, da kommen noch ein paar Kilometer. Aber richtig steil wird es nicht mehr – dafür überraschend: Nach eine Kurve glaubt man sich plötzlich im Orient, eine gewaltige Basilika dominiert das Tal. Es handelt sich um die Wallfahrtskirche "Madonna del Sangue" in Re. Errichtet zwischen 1894 und 1958 soll sie an ein Wunder im 15. Jahrhundert erinnern. Mir erschien der Bau jedoch etwas zu groß und vor allem deplatziert in dieser Landschaft. Interessante Motive bietet die Kirche allerdings schon. Nach Re wird das Tal weiter, ich erreichte Malesso (von hier geht ein schönes kleines Sträßchen nach Cannobio am Comer See ab, das kommt später mal unter die Räder) und Santa Maria Maggiore, den Hauptort des Valle Vigezzo. Ein kleiner Lebensmittelladen hatte noch geöffnet, schön, da gab es also noch etwas Obst für die Mittagspause.
Re 1
Eine merkwürdige Erscheinung
Re 2
Basilica Madonna del Sangue...
Re 3
... in Re
Der Ort nach Sta. Maria heißt Druogno, dies ist sozusagen die Passhöhe des Valle Vigezzo/Centovalli. Die Abfahrt war viel kürzer als der Anstieg, darum natürlich viel steiler, deshalb schnauften die mir entgegenkommenden Radfahrer auch so. Ratzfatz war ich unten und musste nicht mal nach Domodossola, da es eine Abkürzung über Masera direkt nach Crevoladossola gibt. Hier ging es aus der breiten Ebene in das enge Tal der Diveria – und die schlimmsten Befürchtungen wegen des zu erwartenden Gegenwinds wurden noch übertroffen. Das ist ein ordentlicher Kampf, unterwegs überlege ich, ob ich nicht doch schon in Varzo Quartier beziehen sollte. Aber das liegt a) nicht direkt an der Strecke, so dass unnötige Höhenmeter zu befürchten waren, b) war es noch recht früh am Nachmittag, das Ziel Gondo sollte also auch mit dem fiesen Gegenwind leicht zu erreichen sein, zumal hier unten die Steigung passabel ist. Außerdem, c) war Sonntag und somit LKW-freie Straße, das ist am Simplon schon ein Argument (wenige Tage vorher las ich in der NZZ einen Artikel über den zunehmenden Schwerverkehr am Simplon, insbesondere Gefahrguttransporte hätten stark zugenommen – schlecht ist es also nicht, möglichst viele Kilometer am Sonntag zu fahren). Der Wind war mörderisch. Wenn ich mal kurz stehen blieb, blies es mich fast vom Fahrrad. Ich war froh, endlich in Gondo vor dem Stockalperturm zu stehen. Nur ... wo ist denn hier ein Hotel? Hmm, da bin ich mal in die Tankstelle und habe nachgefragt: "Da unten im Restaurant gibt es auch Zimmer". Also wieder runter – "Alles belegt".

Na danke. Das nächste Hotel ist in Gabi, am Ende der Gondoschlucht. Wenn man sich schon geistig aufs Duschen eingestellt hat, gibt es schöneres, als 350 Höhenmeter durch eine enge Schlucht gegen fiesen Gegenwind zu fahren. Einziger Trost: Morgen sind es dann noch ein paar km weniger im Schwerverkehr. Also dann, auf in den Wind. Glücklicherweise war es noch nicht so spät, wenigstens kein Zeitdruck. Von der Gondoschlucht, die Jahrhunderte ein schwer zu überwindendes Hindernis war, sieht man allerdings relativ wenig. Die winterfeste Simplonstraße verschwindet sehr oft in Tunnels und Galerien. Nur in den kuzren Zwischenstücken kann man die grandiosen Landschaft erahnen, manchmal sogar ganz kleine Reste der alten napoelonischen Straße – immerhin war der Simplon der erste Pass in der Schweiz, der eine befestigte Fahrbahn hatte (mehr Infos dazu bei der Passbeschreibung hier. Einen kurzen Stopp habe ich noch bei der alten Kaserne kurz vor dem Ende der Gondoschlucht eingelegt, hier ist eine interessante Ausstellung über die Geschichte des Passes untergebracht ... außerdem ein WC. Dann erreichte in Gabi, wie versprochen gab es ein Hotel, sogar eines mit Geschichte, trank doch der große Napoleon hier mal einen Kaffee – okay, nicht wirklich, er hat den Simplon zwar bauen lassen, aber nie gesehen. Was ich nicht sehen konnte, war das Hotel von innen, denn auch hier war alles belegt. Aber in Simplon-Dorf, im Hotel Post, da ist sicher noch etwas frei – gut, das sind dann halt nochmal 250 Höhenmeter, aber was tut man nicht alles für ein Bett und eine Dusche.
Gondoschlucht
Die Gondoschlucht
Gabi
Wer's glaubt...
Simplon-Dorf
Dorfplatz in Simplon-Dorf
Bäckerei
Bäckerei Arnold
Auf dem Zahnfleisch kam ich in Simplon-Dorf an und tatsächlich, ich bekam ein Zimmer! Und ein warmes Essen dazu, ich entschied mich für Walliser Rösti und wurde nicht enttäuscht. In der Dämmerung machte ich dann noch eine kleinen Ortsrundgang. Einen Besuch wert ist das Ecomuseum im Alten Gasthof im Dorfkern von Simplon-Dorf – einer der Stützpunkte des Stockalperwegs. Dieser Weg ist ein Beispiel für die Verbindung von Denkmalschutz, Tourismus und Lokalgeschichte. Den alten Säumerweg des Kaspar Jodok Stockalper kann man heute von Brig bis Gondo bewandern. Informationen dazu gibt es bei www.viastoria.ch, das Ecomuseum ist, neben der auch schon erwähnten Alten Kaserne in der Gondoschlucht, einer der Stützpunkte dieses Wanderweges. Eine zweite Attraktion ist die Bäckerei Arnold, die ein weit über die Dorfgrenzen hinaus bekanntes Walliser Roggenbrot herstellt. So eines musste ich mir natürlich gleich kaufen, und tatsächlich, schmeckte hervorragend, sogar noch nach zwei Tagen. Negativ waren nur die nach und nach ankommenden SMS, die mich über die Tore für Leverkusen gegen die Eintracht informierten ... toller Bundesligastart.

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© Holger Rudolph