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Der Pass
Der Berninapass ist ein aussergewöhnlicher Pass.
Aussergewöhnlich deshalb, weil er für mich der einzige in den Alpen ist, der mit
einem anderen Verkehrsmittel als dem Fahrrad interessanter ist. Ich meine die
Bahn und ich meine besonders die Südseite von Tirano im Veltlin durch das Puschlav
über die Passhöhe ins Engadin. Diese Südseite ist nicht nur für Eisenbahnfans ein
Hochgenuss. Tip: Mit dem Rad in die eine Richtung über den Pass fahren, mit dem Zug
zurück. Das geht, das Fahrrad kann man fast in allen Zügen mitnehmen, nur nicht im
Glacier-Express. Der Berninapass ist die einzige ganzjährig befahrbare offene
Alpenquerung mit der Bahn, dazu die höchste Bahn ohne Zahnradunterstützung. Auf der
Fahrt von der Passhöhe hinunter ins Veltlin durchquert man von der hochalpinen
Gletscherlandschaft bis zu den mediterranen Weinbergen des Veltlins eine Vielzahl
von Vegetationsstufen. Besonders interessant ist dies im Frühjahr, wenn die
Passhöhe noch tief verschneit ist, Poschiavo und Tirano dagegen schon "blühen".
Die Nordseite des Berninapasses beginnt in Samedan, z. B. am
Bahnhof der Rhätischen Bahn. Relativ eben geht es nach Pontresina. Die ersten Meter
sind auf Bild 1 unten zu erkennen. Das Bild ist vom
Aussichtspunkt Muottas Muragls aufgenommen und zeigt das Panorama des Oberengadins.
Ganz rechts unten liegt Celerina, ganz links unten Pontresina, darüber
St. Moritz und die Oberengadiner Seenplatte. Pontresina ist, ähnlich wie St. Moritz,
ein Urlaubsort mit großer Tradition, seit 1850 kommen Touristen hierher.
Im Ortskern finden sich noch einige ursprüngliche Engadinerhäuser
(Bild 2 und Bild 3), deren Nutzung ist
allerdings nicht mehr ursprünglich, häufig sind sie zu Ferienwohnungen oder ähnlichem
umgebaut. Ein kleiner Exkurs zu einem neuen Bauwerk oberhalb des Ortes: Die
Auffangdämme "Val Giandains" (Bild 4) sind der neueste Schutz
des Ortes vor Naturgefahren. Lawinen bedrohten Pontresina schon immer, es liegt
gefährdet unterhalb der steilen Hänge des Piz Muragl und des Schafbergs. Früher baute
man nicht in den lawinengefährdeten Gebieten, doch mit dem Aufkommen des Tourismus
änderte sich das. So musste schon 1882 die erste Lawinenverbauung oberhalb des Dorfes
errichtet werden. Eine neue Gefahr droht durch die Klimaveränderung: Das Auftauen des
Permafrostes am Schafberg. Permafrost ist ganzjährig gefrorener Boden, im Sommer tauen
höchstens die obersten Schichten auf. Doch seit einigen Jahren kann man beobachten,
dass der Boden am Schafberg immer tiefer auftaut. Damit verliert er die Stabilität
durch das Eis, es drohen Hangrutschungen, die den Ort gefährden können. Um dieser
latenten Gefahr vorzubeugen, ist 2003 das Auffangdammsystem eingeweiht worden.
Nun wollen wir mal nicht hoffen, dass der Berg gerade dann
rutscht, wenn wir unten vorbeifahren. Hinter Pontresina bleibt die Straße weiter
flach im Tal der Ova di Bernina. Bei der Abzweigung Morteratsch beginnt dann so
langsam die Steigung. Doch zunächst eine kurze thematische Abzweigung nach
Morteratsch: Es lohnt sich, wenn man Zeit hat, dorthin zu fahren. Es gibt dort einen
Campingplatz mit einem Bergpanorama, das seinesgleichen sucht
(Bild 5), ein Restaurant und eine Station der Bernina-Bahn.
Und es beginnt ein kleiner Wanderweg in das Tal bis direkt an den Morteratschgletscher.
Entlang dieses Weges markieren Schilder, wie weit der Gletscher in den jeweiligen
Jahren in das Tal reichte. Die Klimaveränderungen der letzten hundert Jahre werden dem
Betrachter auch hier drastisch vor Augen geführt. Zurück zur Passstrasse. Hinter der
Abzweigung nach Morteratsch beginnt die einzige richtige Steigungsstufe der
Nordseite des Berninapasses, die mit zwei Kehren, den sogenannten Montebello-Kehren
überwunden wird. Nach der zweiten dieser Kehren kreuzt die Bahnstrecke die Straße.
Es gibt am Bahnübergang einen Parkplatz, von dem man einen grandiosen Blick auf das
Val Morteratsch mit dem Piz Palü und den Piz Bernina genießen kann, dieser Parkplatz
ist einer der Top-Panorama-Bild-Plätze des Engadins (Bild 6).
Mit etwas Glück kommt gerade ein Zug vorbei und ein Eisenbahnfreund kann ein
Postkartenfoto schießen. Es kann aber auch ein Radfahrer vorbeikommen
(Bild 7). Und weil es so schön ist, sei noch ein Tele-Foto
erlaubt, mit dem Morteratschgletscher und dem Piz Bernia, dem östlichsten 4.000er
der Alpen (Bild 8). Nun verläuft die Straße meist neben der
Bahnlinie, oberhalb der Baumgrenze durch karge, hochalpine Landschaft vorbei an den
Talstationen der Seilbahnen auf die Diavolezza und den Piz Lagalb
(Bild 9). Nach der Talstation der Lagalp-Bahn beginnt die
letzte Steigung zur Passhöhe, vorbei an den beiden Seen, dem Lago Bianco und dem Lej
Nair (in verschiedenen Stimmungen Bild 10 und
Bild 11). Kurz unterhalb der Passhöhe befindet sich das Hospiz
(Bild 12). Nun trennt sich die Straße von der Bahn, von der
Passhöhe ins Puschlav geht es auf verschiedenen Wegen. Bild 13
ist quasi ein Luftbild der Passlandschaft, mit den beiden Seen, der Straße, der Bahn
und dem Piz Lagalb, ganz im Hintergrund ist sogar der Ortler zu sehen. Aufgenommen
wurde das Bild von der Bergstation der Diavolezza-Bahn.
Die Südseite des Berninapasses beginnt in Italien, im Veltlin.
In Tirano muss sich der Radfahrer, genauso wie der Autofahrer, die Straße zunächst
mit der Berninabahn teilen, sie fährt durch den Ort wie eine Straßenbahn
(Bild 14 und 15). Kurz hinter Tirano, in
Campocologno, erreicht man die italienische Grenze. Weiter geht es in der Schweiz,
im Puschlav oder, wie es korrekt auf italienisch heißt, im Poschiavo, einem der vier
italienischsprachigen Täler Graubündens. Man erreicht bald Brusio und kann am
Ortseingang ein beeindruckendes Bauwerk betrachten: Das Kreisviadukt der Rhätischen
Bahn. Wenige Kilometer hinter Brusio erreicht man Miralago, hier endet das erste
Steigungsstück des Berninapasses. Miralago liegt am Südende des Lago di Poschiavo
(Bild 16). Einst war das ganze Puschlav ein See. Ein Bergsturz
vor 15.000 Jahren staute das Flüsschen Poschiavino auf, erst langsam schaffte es
sich einen Weg ins Veltlin. Dieser schmale Abfluss schuf ein Tal, in dem sich heute
die Bernina-Bahn und -Straße befinden. Am See entlang geht es dann relativ eben, auch
bis Poschiavo, dem Hauptort des Tals, sind keine Steigungen mehr zu überwinden.
Poschiavo zählt zwar nur 3.500 Einwohner, wirkt aber wie eine
italienische Stadt. Man erkennt den Reichtum, der auf die strategisch günstige Lage
am Berninapass zurückzuführen ist (Bild 17 und
Bild 18). Hinter Poschiavo beginnt dann die eigentliche
Steigungsstrecke des Berninapasses. Und es wird wirklich anstrengend, denn bis zur
Passhöhe sind auf knapp über 20 km ca. 1.300 Höhenmeter zu überwinden, flachere
Passagen zum Ausruhen gibt es kaum. Jedoch bin ich diese Seite bisher nur bergab
gefahren, daher fällt die Beschreibung eher knapp aus, bergab geht es dann doch
etwas schneller. Zunächst geht es eine lange mehrere Kilometer am Hang entlang
stetig nach oben. Die Berninabahn (Bild 19) wählt dagegen
die eindeutig interessantere Route mit grossartigen Blicken zurück ins Puschlav
(Bild 20). Erst bei Sfazu endet die eintönige Strecke am
Hang, nun geht es in mehreren Kehren aufwärts (Bild 21,
links am Hang ist die stetig ansteigende Straße zu erkennen). Man erreicht bei
La Rösa (mehrere Häuser, darunter eine Gaststätte) langsam die Baumgrenze. Es wird
steiler, bald kommt die Abzweigung nach Livigno. Livigno ist ein italienisches
Zollausschlussgebiet, was zur Folge hat, dass man die Berninastraße bis hier mit
vielen Autos teilt, die auf der Suche nach billigem Sprit für sich und ihre
Fahrer nun rechts abbiegen. Bis zur Passhöhe sind es jetzt noch 4 km durch
hochalpines Gelände. Bild 22 und Bild 23
zeigen den Blick zurück von der Passhöhe aus, bei verschiedenen Wetterlagen...
Oben dann müssen natürlich die obligatorischen Passfotos geschossen werden, im
Laufe der Zeit sammeln sich einige an: Bild 24,
Bild 25 und Bild 26.
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